Es habe sich wegen des Feiertages eingebürgert, der Toten an Allerheiligen zu gedenken. Der eigentliche Totengedenktag sei jedoch Allerseelen am 02.11. Obgleich es traurig sei, an den Gräbern unserer Lieben zu stehen, dürften wir an diesem „kleinen Ostern im Herbst“ von der frohen Hoffnung erfüllt sein, dass unsere Verstorbenen bei Gott seien und sie durch ihre Liebe über den Tod hinaus mit uns verbunden seien. Auch wir dürften darauf hoffen, eines Tages durch die Auferstehung Jesu unsere Vollendung in Gott zu finden. In seiner Ansprache griff Pfarrer Kölbel die öffentliche Kritik am Zustand des Miltenberger Hauptfriedhofs auf, welcher – so die Vorwürfe – in weiten Teilen „verwahrlost“ sei. Was jemand als „verwahrlost“ betrachte, sei Ansichtssache. Manche sprächen lieber von „naturnah“. Er habe sich jedenfalls bei Beerdigungen noch nie den Weg zum Grab mit einem Buschmesser bahnen müssen. Tatsächlich empfinde er den Miltenberg Friedhof als einen sehr schönen und wohltuenden Ort. Wenn er in der benachbarten Grundschule unterrichte, stelle er sein Auto auf den Priesterparkplatz und laufe über den Friedhof zur Schule. Das wirke sehr beruhigend und der Anblick der Grabstätten lasse so manches aktuelle Problem relativ erscheinen. Leider würden viele Gräber verschwinden und die Lücken immer größer werden. Manche Gräber wirkten verlassen und machten einen verwahrlosten Eindruck. Doch was sei das eigentlich: Der Friedhof? Von der Wortbedeutung habe er nichts mit dem „ewigen Frieden“ zu tun, sondern meine einen eingefriedeten Bereich, der die Welt der Toten mit Mauern, Hecken oder Zäunen von der Welt der Lebenden trenne. Das englische Wort „cemetary“ komme vom lateinischen „coemetrium“ und bedeute „Schlafort“. Unsere Vorfahren hätten den kernigen Begriff „Gottesacker“ verwendet. Dieser verweise uns auf die Worte des Apostels Paulus im 1. Korintherbrief. Darin schreibe er: „Was gesät wurde ist verweslich, was auferweckt wird, ist unverweslich.“ Die Samen an Gutem, die ein Mensch in seinem Leben aussäe, gingen nicht immer auf. Bei Gott sei nichts vergeblich. Über dem Friedhofseingang gegenüber der Grundschule stünden die Worte: „Das Tor zum ewigen Leben“. Ewig sei auch auf unseren Friedhöfen nichts mehr. Gottes Liebe jedoch sei ewig und vergesse niemanden. Nach seiner Ansprache segnete Pfarrer Kölbel die Gräber mit Weihwasser und Weihrauch. In den Fürbitten wurde aller Verstorbenen, die auf diesem Friedhof ruhen gedacht. In das Gedenken wurden alle Opfer von Krieg, Gewalt und Terror eingeschlossen. Pfarrer Kölbel bedankte sich bei der Stadtkapelle für die musikalische Gestaltung der Andacht. Das Angebot des Pfarrers, die jeweilige Grabstätte einzeln zu segnen, wurde dankbar angenommen. (Fotos: Martin Winkler)
Nina Reuling